La Paz, hoch und herrlich – DER SPIEGEL – 9.6.2011
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07. Juni 2011, 13:38 Uhr
Was kostet die Welt?
La Paz, hoch und herrlich
Das Leben in der bolivianischen Höhenluft ist hart – aber für ein Auslandsstudium unbedingt empfehlenswert, findet Sebastian Erb. Die Stadt ist günstig, bunt und voller kleiner Kulturschocks: Wer ein Haus bauen will, sollte zum Beispiel den Lama-Fötus nicht vergessen.
COMENTARIO:
La revista alemana tiene un tiraje de casi un millón de ejemplares que lee más de cinco millones de lectores. Para nuestros lectores alemán hablantes he aquí un ejemplo como se pinta la imagen de La Paz. - Invito a voluntarios a traducir el reportaje.
Als ob die Höhe nicht schon genug wäre, liegt La Paz auch noch in einem engen Tal. Die meisten Straßen führen deshalb steil die Hänge hoch. Es ist gerade am Anfang sehr anstrengend, zu Fuß unterwegs zu sein. Schließlich erstreckt sich Boliviens Regierungssitz in den Anden auf einer Höhe zwischen gut 3000 und 4000 Metern.
Von den Einheimischen bekommt man gleich das Wundermittel gegen die Auswirkungen der Höhe präsentiert: Kokablätter. Der Tee schmeckt etwas herb und ganz lecker, das Kauen der Blätter ist durchaus gewöhnungsbedürftig. Alternativ hilft es selbstverständlich auch, die Sache einfach mal langsam anzugehen.
Aber das will man gar nicht, denn in La Paz gibt es viel zu erleben und zu entdecken, es ist eine lebendige und liebenswürdige Stadt. Geschäftsleute im Anzug sind hier genauso unterwegs wie Frauen in traditioneller Tracht, dem Konsum-Schickimicki à la USA wird hier weniger stark gefrönt als in vielen anderen lateinamerikanischen Städten.
Nicht nur die indigenen Sprachen Aymara und Quechua sind allgegenwärtig, sondern auch die Weltsicht der Indigenas. So gibt es an Marktständen etwa getrocknete Lama-Föten zu kaufen, die braucht, wer ein Haus bauen will. Man betoniert sie ins Fundament ein, das soll Pachamama, die Mutter Erde, besänftigen.
Rumkommen und Heimkommen: Nachverkehr und Mieten in La Paz
In La Paz herrscht oft Stau. Schuld sind häufig Demonstrationszüge, die den Verkehr lahmlegen. Trotzdem kommt man um motorisierte Verkehrsmittel häufig nicht herum, auch wenn man eine noch so gute Ausdauer hat. Wenn gerade nicht gestreikt wird, gibt es in La Paz fünf Typen von öffentlichen Transportmitteln. Im Preis absteigend: Radiotaxis (mit Funkverbindung zur Zentrale, nachts am sichersten), Taxis (meist Pkw, bei denen der Fahrer ein Taxischild aufs Dach oder hinter die Windschutzscheibe gebastelt hat), Truffis (Pkw-Taxis, die feste Routen fahren), Minibusse (Kleinbusse made in Japan mit meistens zwölf Sitzen), Microbusse (trotz des Namens normalgroß).
Am weitesten verbreitet sind die Minibusse, die haben feste Routen und keinen Fahrplan, den braucht man aber auch nicht, denn zumindest tagsüber muss man nie lange warten. Die Assistenten der Fahrer buhlen regelrecht um Fahrgäste und stehen offenbar in einem Wettbewerb, wer die Fahrziele am schnellsten ausrufen kann. Folglich versteht man nur die Hälfte. Für eine Taxifahrt bezahlt man ein bis drei Euro, im Microbus sind es nur zehn Cent.
Armes Bolivien: Mindestlohn von 80 Euro
Für deutsche Verhältnisse muss man also sehr wenig Geld ausgeben, wenn man sich anpasst und so lebt wie die Paceños. Das verwundert nicht, schließlich ist Bolivien das ärmste Land Südamerikas, der Mindestlohn liegt bei 815 Bolivianos im Monat, das sind 80 Euro. Legt man allerdings Wert auf gesteigerten Komfort, etwa einigermaßen schnelles Internet, oder besondere Import-Produkte, muss man tiefer in die Tasche greifen.
Was das Wohnen angeht, gibt es eine Faustregel: Nach Süden hin wird es immer teurer, dort sind die besseren Stadtteile, wo die Oberschicht wohnt, sie liegen tiefer, das Klima ist angenehmer. Ein einfaches möbliertes Zimmer kann man in La Paz schon für weniger als 50 Euro im Monat mieten, Unis vermitteln das Wohnen in einer Gastfamilie für etwa 150 Euro im Monat, inklusive Essen.
Futtern und Feiern: Fettiges Huhn und ein Bier namens “Einheimische”
Knurrt der Magen, ist das Erste, was man sieht: Hähnchen mit Pommes in unterschiedlich großen Portionen, für ein bis zwei Euro, Getränk inklusive. Nach McDonald’s kann man hingegen lange suchen. Das hat aber nichts mit der aktuellen US-kritischen Haltung der Regierung unter dem indigenen Präsident Evo Morales zu tun. Bereits 2002 hat sich der Fast-Food-Konzern nach nur fünf Jahren aufgegeben – das Geschäft lief offenbar zu schlecht. Coca Cola bekommt man hingegen überall. Nationale Limonaden auf Koka-Basis wurden medienwirksam präsentiert, konnten sich aber nicht durchsetzen.
Hähnchen mit Pommes lassen sich aber auch umgehen, denn was das Kulinarische angeht, ist La Paz sehr vielfältig, von Sushi bis Falafel gibt es alles. Eine große Pizza kostet vier Euro, ein Teller chinesisches Essen die Hälfte. Noch günstiger ist ein bolivianisches Mittagsmenü: Quinoa-Suppe, Fleisch, Reis, manchmal Kartoffeln, oft auch Nachtisch.
Teure Importware: Cornflakes sind Luxus
Sehr lecker ist der frischgepresste Orangensaft, den es für 2,50 Bolivianos an jeder Straßenecke zu kaufen gibt, umgerechnet nichtmal 30 Cent. Für wenig mehr gibt es auch Maiskolben, Empanadas (Teigtaschen) oder Hotdogs. Überhaupt wird alles auf der Straße feilgeboten, von einzelnen Bonbons bis zu Elektronikartikel, die aber nicht immer so funktionieren, wie man sich das vorstellt. Fast schon wie Luxus kommt einem dahingegen ein Besuch in einem netten Café vor, Mittelschicht-Bürger und andere Ausländer trifft man hier, ein Milchkaffee kostet einen Euro, W-Lan inklusive.
Supermärkte gibt es kaum in der Stadt, was man so braucht, kauft man im Laden an der Ecke oder auf dem Markt. Zwar sind die Preise von Zucker und anderen Grundnahrungsmittel gestiegen, was regelmäßig die Menschen zu Protesten auf die Straße treibt. Aber für deutsche Verhältnisse ist fast alles billig. Ein Brötchen: vier Cent. Ein Kilo Tomaten: 20 Cent. Ein Dutzend Bananen kosten mit 40 Cent so viel wie ein Kilo Reis. Ein Liter Milch ist da mit 80 Cent schon recht teuer. Und Cornflakes sind Luxus.
Ausflüge und Abstürze: Noch weiter rauf und dann in den Club
Sollte man irgendetwas in La Paz nicht finden, kann man auch nach El Alto hochfahren, vor nicht allzulanger Zeit war das noch ein kleiner Vorort, heute ist es eine Millionenstadt. Dort gibt es zweimal die Woche einen der größten, wenn nicht den größten Freiluftmarkt Südamerikas.
Zum Partymachen geht es entweder in die Altstadt im Norden, wo auch viele Touristen feiern, oder in die schickeren Clubs im Süden. Ein Bier in der Kneipe schlägt mit meist knapp zwei Euro zu Buche. Zum Ausgehen ein neuer Haarschnitt gefällig? Ist auch nicht teurer.
Auch Kino kostet um die zwei Euro Eintritt. Für diesen Preis kann man zu Hause allerdings eine sehr lange Filmnacht einlegen. Sechs DVDs gibt es für den gleichen Betrag. Allerdings sind das Raubkopien, denn Original-DVDs lassen sich in Bolivien beim besten Willen nicht auftreiben.
Sehr amüsant kann es sein, sich ein Fußballspiel in La Paz anzuschauen, am besten eines mit internationaler Beteiligung. Die bolivianische Nationalmannschaft ist nicht besonders gut, gewinnt aber hin und wieder gegen Größen wie Argentinien oder Brasilien. Selbstverständlich nur bei Heimspielen, weil die dünne Luft die Gegner einfach umhaut.
Kleiner Sprachführer für Neu-La-Pazer: Raus aus meinem Minibus, bitte
- Paceña heißt eine weibliche Bewohnerin von La Paz und die weitverbreiteste Biermarke des Landes. Die wird sogar im Tiefland getrunken, das von La Paz aus gesehen eine andere Welt ist.
- Collas und Cambas sind die Spitznamen für die Bewohner des Hoch- beziehungsweise Tieflandes von Bolivien.
- Das Hochland, der Altiplano, liegt auf rund 4000 Metern Höhe über dem Meer. Die Tiefland-Departamentos werden wegen ihrer Form Media Luna genannt, Halbmond. Aufpassen bei der Benutzung der Begriffe: Während viele Cambas sich selber so nennen, ist Colla ein Schimpfwort für die Indígenas.
- Acullicar la hoja de coca: Kokablätter kauen. Das ist eine traditionelle Beschäftigung der Hochlandbewohner und bekämpft die Symptome von Hunger, Durst und Höhe. Eigentlich ist es laut der UN-Betäubungsmittelkonvention aus dem Jahr 1961 auch in Bolivien verboten. Präsident Evo Morales, zugleich Präsident der Gewerkschaft der Kokabauern, kämpft für die Legalisierung – bislang erfolglos. Für Morales und die anderen Cocaleros gilt das Motto: Coca no es cocaína – Koka ist kein Kokain.
- Me voy a quedar en la esquina: “An der nächsten Ecke würde ich gerne aussteigen.” So übermittelt man seinen Aussteigewunsch dem Fahrer des Transportmittels. Die Antwort lautet oft: Ya puede aprovechar. Man solle die Gunst des Moments nutzen und jetzt schon aussteigen, da das Fahrzeug sowieso gerade steht.
- Coima: Bestechungsgeld. Korruption kommt in Bolivien auf allen Ebenen vor. Das gerade auch niedrige Staatsbeamte in Versuchung geraten, verwundert bei den geringen Gehältern nicht. Um die Korruption zu bekämpfen, hat die bolivianische Regierung ein eigenes Ministerium eingerichtet.
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