BOLIVIA en la revista DER SPIEGEL – 8.3.2012

Frauenwrestling in Bolivien

Rock im Ring

Boliviens Wrestlerinnen: Mit Schwung, Charme und Melone

Fotos
TMN

Goldschmuck, Narben, Tracht in Rosé: In der Wrestlingarena von El Alto haben die Frauen zwar nicht die Hosen an, den Kampf gegen die Männer nehmen sie dennoch auf. Wenn eine cholita über dem Kopf eines Gegners ein Holzbrett zertrümmert, johlt das Publikum.

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¡Macanas! – prensa amarilla

El Alto – Martha La Altoña springt von den Seilen, knallt ihren Gegner über die Schulter auf den Boden und landet auf seinem Kopf. Die Menge in der Wrestlingarena von El Alto schreit vor Begeisterung.

Aber La Altoña, die in Wirklichkeit Jenny Mamani heißt, ist keine normale Wrestlerin. Sie ist eine sogenannte cholita cachascañista, eine von Boliviens berühmt-berüchtigten Wrestlerinnen, die ihre traditionelle Kleidung im Ring tragen – inklusive einer Melone auf dem Kopf.

“Ich habe immer Angst vor einem Kampf, besonders gegen Männer”, sagt Mamani hinter den Kulissen und bekreuzigt sich. “Die sind viel gemeiner und härter.” Das Aussehen ihrer Kollegin bestätigt ihre Aussage. Der Oberkörper der zierlichen Kämpferin ist voller Blut. Ihr Gegner hatte sie gegen ein Geländer geworfen, und sie landete vor den Füßen einer Gruppe begeisterter israelischer Touristen.

El Alto liegt hoch oben auf dem Hang über La Paz, der heimlichen Hauptstadt Boliviens. Auf 4000 Metern über dem Meeresspiegel genießen die Besucher spektakuläre Blicke auf die umliegenden schneebedeckten Berge, die einen starken Kontrast zu Dreck und Armut in der Stadt bilden. El Alto ist in den vergangenen Jahrzehnten durch den Zustrom von arbeitsuchenden Migranten schnell gewachsen. Die Mehrheit der eine Million Einwohner ist unter 25 Jahre alt.

Mit Frauen gegen die Flaute

Die Wrestlingkämpfe sind zu einer Attraktion für Einheimische und Touristen geworden. Ganze Familien – Großeltern, Tanten und Kinder – füllen die Bänke in der heruntergekommenen Arena, die Platz für 500 Leute bietet. “Wrestling gibt es in Bolivien seit 60 Jahren”, sagt Denys Sanjines, die die Exklusivrechte für die Vermarktung des sonntäglichen Spektakels vor acht Jahren gekauft hat. “Vor 15 Jahren gab es eine Flaute, keiner kam mehr zu den Veranstaltungen”, erzählt die 31-Jährige. “Da hatte jemand die Idee, die cholitas kämpfen zu lassen.”

Die traditionell gekleideten Frauen sind ein Hingucker bei jeder Veranstaltung: Der Achtzigerjahre-Hit “Eye of the Tiger” dröhnt aus den Lautsprechern, durch einen dünnen goldenen Vorhang stürmen die Frauen in den Ring. In ihren Röcken sind sie fast so breit wie groß. Von ihren Ohren hängen riesige goldene Ringe, um den Hals bunte Schals. Auf ihren Köpfen tragen sie die typischen Melonen. Auch sie sind mit Goldschmuck dekoriert und können bis zu 200 Dollar kosten.

Viele der Frauen sind alleinerziehende Mütter, sagt Sanjines, und haben einen zweiten Job – sie arbeiten als Lehrerinnen, Krankenschwestern und Verkäuferinnen.

Mamani, die ihr Alter und ihren Verdienst nicht verraten will, ist Schneiderin. Sie fing vor acht Jahren mit Wrestling an. “Ich mag den Machismo der Männer hier nicht, ich wollte zeigen, dass Frauen alles können, was Männer können”, sagt sie. Ihr Vater war Wrestler, und ihre Schwester ist eine der zehn Sportlerinnen, die regelmäßig in El Alto auftreten. “Sie sind Wrestling-Fanatikerinnen”, sagt Sanjines über die cholitas. “Und sie sind wirklich professionell.” Da sie jetzt mehr Geld verdienen, können sie sich auch eine Krankenversicherung leisten, fügt sie hinzu.

Krachende Holzbretter

Die Frauen trainieren zweimal pro Woche und sind genauso ehrgeizig wie die Männer. Sie zerbrechen Holzbretter über den Köpfen ihrer Gegnerinnen, zerren sie an ihren Zöpfen und springen von den Seilen auf ihre am Boden liegenden Gegner.

Die meisten Zuschauer sind begeistert, doch nicht allen gefällt das Spektakel. “Es ist interessant und etwas Einmaliges”, sagt der 21-jährige britische Student Ben Reynolds. “Aber ich mag nicht zugucken, wenn Frauen von Männern verprügelt werden.”Den 16- und 14-jährigen Töchtern von Mamani geht das genau so. “Sie kommen nie zu den Kämpfen”, sagt Mamani. “Sie wollen nicht zusehen, wenn ich mir wehtue.” Sie zeigt auf Narben auf ihrer Nase und im Augenwinkel. Der Sport hat seinen Tribut gefordert. “Wir haben viele Unfälle, meine Ellbogen und Knie sind ziemlich lädiert”, erzählt Mamani.

Aber die Verletzungen sind für sie ein kleiner Preis für den Spaß, den sie an Wrestling hat. “Ich liebe es, ich fühle mich wichtig, wenn die Menge schreit”, sagt sie. “Ich werde weitermachen, solange mein Körper das noch erlaubt.”

Helen Livingstone, dpa

Fuente: http://www.spiegel.de/reise/fernweh/0,1518,819713,00.html

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